Architektenkammer Berlin: Mehr Qualität beim Bauen für Flüchtlinge

Anlässlich der ersten Ausschreibungen für die schlüsselfertige Erstellung von Flüchtlingsunterkünften in Berlin meldet sich die Architektenkammer zu Wort, für die bei den aktuellen Plänen zur schnellen Schaffung von Wohnraum die Baukultur zu kurz kommt.

“Architektur wird scheinbar als überflüssiger Luxus betrachtet, für den jetzt weder Zeit noch Geld vorhanden sei. Das wird sich nach Ansicht vieler Fachleute rächen. Die Architektenkammer Berlin versucht deswegen aktiv gegenzusteuern.

Kleinere Büros können Referenz-Vorgaben der Wohnungsbaugesellschaften nicht erfüllen

Es gibt in Berlin ein großes Potential an kreativen und leistungsfähigen Architekturbüros, die in den letzten Jahren mit viel Eigeninitiative gute Quartiere und Wohnbauten geschaffen haben. Allerdings können sie meistens die erforderlichen zwei aktuellen Referenzen von mindestens jeweils 20 Wohneinheiten, wie sie üblicherweise von den Wohnungsbaugesellschaften gefordert werden, nicht nachweisen, denn die Baugruppen- und Genossenschaftsprojekte waren in den letzten Jahren meist kleiner. Die Architektenkammer Berlin weist darauf hin, dass viele von den oft auch kleineren Architektur- und Planungsbüros daher trotz guter Konjunktur nicht an den öffentlichen Wohnbauprogrammen beteiligt werden. Hinzu kommt in den Ausschreibungen der öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften die Suche nach erfahrenen „Generalplaner“-Büros, die alles aus einer Hand anbieten sollen. Oder der Auftrag geht direkt an Baufirmen, die ohne Einbeziehung unabhängiger Planerinnen und Planer vorwiegend nach dem Preis ausgewählt werden. Die Risikozuschläge der Generalunter- und Generalübernehmer machen das Bauen trotz großer Stückzahlen nicht günstiger, und die Rechnungshöfe kritisieren solche Verfahren regelmäßig. Insgesamt überwiegen große Projekte mit über hundert Wohnungen, obwohl die Erfahrung zeigt, dass kleinteiligere und gemischte Quartiere nicht teurer sein müssen und langfristig mehr soziale Stabilität und Nachhaltigkeit mit sich bringen. Gerade für die großen Aufgaben gibt es nicht die eine große, sondern viele verschiedene Lösungen!

Architektenkammer bietet Hilfe bei der Qualitätssicherung

Die Architektenkammer Berlin geht deswegen in die Offensive und will sich mit der Organisation schneller und unbürokratischer Hilfe bei der städtebaulichen, landschaftsarchitektonischen und architektonischen Qualitätssicherung von Flüchtlingsquartieren einbringen. Daneben wird sie mit einer Reihe von Veranstaltungen und Fortbildungen gemeinsam mit Auftraggebern den Austausch von Knowhow fördern – aber auch gleichzeitig für mehr Vertrauen in die vielen Büros werben, in denen sich Büroinhaber und -inhaberinnen kreativ um wirtschaftliche und zukunftsfähige Lösungen bemühen. Es geht auch darum, alle die noch Kapazitäten frei haben, besser am Markt zu beteiligen.

Die Vergabepolitik des Landes Berlin zielt momentan auf große Stückzahlen, weshalb die meisten verfügbaren und bebaubaren Grundstücke an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften vergeben werden. Der Vorstand der Architektenkammer Berlin regt an, größere Flächen beim Weiterverkauf aufzuteilen und neben den öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften an verschiedene Akteure, wie Baugruppen, Genossenschaften und private Investoren zu vergeben, um eine attraktive Mischung zu gewährleisten.

Um sowohl die Qualität als auch die Wirtschaftlichkeit zu fördern, sollte die Vergabe öffentlichen Baulandes grundsätzlich an reguläre und öffentlich ausgeschriebene Planungswettbewerbe gebunden sein. Die politischen Leitlinien und Marktinstrumente der Vergabe bei öffentlichen Aufträgen dürfen nicht durch Wohnungsnot aufgeweicht oder gar mit dem Problem der Unterbringung von Flüchtlingen vermischt werden. Gerade um die vor uns liegenden Aufgaben zu bewältigen, müssen die lokal vorhandenen Ressourcen gestärkt und genutzt werden, anstatt durch Marktverengung und Konzentrationsprozesse neuen Kartellbildungen den Weg zu ebnen.

Baukultur sollte trotz des großen Zeitdrucks bei der Schaffung von Wohnraum ein entscheidendes Kriterium sein und ebenso beachtet werden wie der Natur- und Artenschutz.”

 

Foto: Rainer Sturm

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