Bauen mit Beton: Eine Architekturführung in Hamburg (2014)

Rückblick: Anfang September 2014 fand in Hamburg die Fachtagung “Praxis Transportbeton 2014” statt. Im Rahmenprogramm wurde eine Architekturführung zu diversen neueren Bauprojekten in der Stadt angeboten. Ich habe teilgenommen und interessante Gebäude kennengelernt.

Torsten Stern von a-tour.de (Foto: Eric Sturm)
Torsten Stern von a-tour.de (Foto: Eric Sturm)

Torsten Stern ist architekturhistorisch gut informiert und auch mit der aktuellen Baukunst in seiner Heimatstadt bestens vertraut. Seit vielen Jahren macht er Architekturführungen in Hamburg, sowohl für Kollegen und Menschen aus der Baubranche, als auch für Laien.

Die Touren, die er mit seiner Firma a-tour anbietet, eignen sich für beide Zielgruppen. Denn Stern erzählt während der Fahrt durch die Stadt und vor Ort an den Objekten unterhaltsam, lebendig und fundiert. Besonders schön: Als nach wie vor praktizierender Architekt weiß er auch bei tiefer gehenden Fachfragen Bescheid. Also los!

Knopf im Ohr: Die nicht mehr ganz so jugendlichen Architekturjournalisten im Haus der Jugend (Foto: Eric Sturm)
Knopf im Ohr: Die nicht mehr ganz so jugendlichen Architekturjournalisten im Haus der Jugend (Foto: Eric Sturm)

Erste Station: Das “Haus der Jugend Kirchdorf” in Hamburg-Wilhelmsburg (Kersten + Kopp Architekten, Berlin)

Das Gebäude war das sogenannte “Auftaktprojekt” für die Internationale Bauausstellung 2013 in Hamburg und soll einen neuen Schwerpunkt für die Jugendarbeit in dem sozialen Brennpunkt von Wilhelmsburg bilden. Es bietet innen (Sporthalle, Gruppenräume) und aussen (überdachte Basketballfläche, Kletterwand, Skateboardbahn) verschiedene Möglichkeiten für die jugendlichen Besucher, sich sportlich oder kreativ zu betätigen.

Im Einklang mit der benachbarten St. Maximilian-Kolbe-Kirche: Das "Haus der Jugend Kirchdorf" in Hamburg-Wilhelmsburg (Foto: Eric Sturm)
Im Einklang mit der benachbarten St. Maximilian-Kolbe-Kirche: Das “Haus der Jugend Kirchdorf” in Hamburg-Wilhelmsburg (Foto: Eric Sturm)

Aus architektonischer Sicht gut gelungen ist der Dialog des neuen Baukörpers mit der Umgebung, vor allem der Bezug auf die “Spirale von Wilhelmsburg”, die St. Maximilian-Kolbe-Kirche in unmittelbarer Nachbarschaft. Etwas unerfreulich: Aus organisatorischen Gründen mussten Teile des Aussenbereichs – die Kletterwand und die Half Pipe – eingezäunt werden, wodurch naturgemäß der von den Architekten geplante fliessende Raum an der Grundstücksgrenze jäh gestoppt wird.

Zweite Station: Der Energiebunker in Hamburg-Wilhelmsburg (Hegger Hegger Schleiff HHS Planer + Architekten AG, Kassel)

Ebenfalls im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Hamburg wurde im Zeitraum 2008 bis 2013 in Hamburg-Wilhelmsburg aus der Kriegsruine des ehemaligen Flakbunkers (Architekt: Friedrich Tamms, 1942/1943) ein vielfach auszgezeichneter “Energiebunker”.

Schöner Blick: Die Dachterrasse auf dem Energiebunker in Wilhelmsburg (Foto: Eric Sturm)
Schöner Blick: Die Dachterrasse auf dem Energiebunker in Wilhelmsburg (Foto: Eric Sturm)

Der Bunker ist seitdem die “Energiezentrale für die dezentrale Wärme- und Stromversorgung des benachbarten Wohnquartiers” schreiben die Architekten HHS auf ihrer Website. “Die in der Technikzentrale umgewandelte Wärme stammt zu 85% aus regenerativen Energieträgern. Das umgesetzte Energiekonzept spart gegenüber konventionellen Konzepten und Erzeugern ca. 95% CO2. Gleichzeitig ist das Gebäude der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.”

Die neuen Nutzungen – Großpufferspeicher im Inneren, Erschliessungsflächen, Aussichtsplattformen und Café für die Besucher außen, wurden teilweise durch meterdicke Stahlbeton-Wände gefräst. Hochinteressant also für alle Freunde des Baustoffes Beton: Aufgeschnittene Stahlbeton-Flächen “zum Anfassen” wie im Energiebunker gibt es ja sonst eher selten zu sehen.

Ausgang zur Dachterrasse durch ca. 1 m Stahlbeton (Foto: Eric Sturm)
Ausgang zur Dachterrasse durch ca. 1 m Stahlbeton (Foto: Eric Sturm)

Dritte Station: Marco Polo Tower, Hafencity Hamburg (Behnisch Architekten, Stuttgart)

Der Luxus-Wohnturm, direkt neben der Unilever-Konzernzentrale (ebenfalls von Behnisch Architekten) gelegen, ist mit seiner geschwungenen Form schon jetzt ein Wahrzeichen in der wachsenden Hafencity. Durch die intelligente Schichtung der Geschosse, deren Fläche nach oben hin zunimmt, entsteht ein sehr abwechslungsreiches Fassadenbild, keine Ansicht gleicht der anderen.

Der Marco Polo Tower (Planungs- und Bauzeit 2007-2010) war 2011 einer der Preisträger des “Architekturpreis Beton”. Die Jury schrieb über das Projekt unter anderem: “Ebenfalls bemerkenswert sind die schwingenden Terrassen mit Betonbrüstungen, die dem Tower eine besondere Dynamik verleihen, zur Verschattung der Fassaden beitragen und einen außenliegenden Sonnenschutz überflüssig machen. Im Rahmen des energetischen Gebäudekonzepts bauten die Planer auf die thermische Speicherfähigkeit von Beton.”

Markante Erscheinung: Marco Polo Tower, Hafencity Hamburg (Behnisch Architekten), Foto: Eric Sturm
Markante Erscheinung: Marco Polo Tower, Hafencity Hamburg (Behnisch Architekten), Foto: Eric Sturm

In diesem Fall hat gute, intelligente Architektur leider einen hohen Preis. Die Quadratmeterpreise für Wohnungen im Marco Polo Tower gehören zu den höchsten in der Hafencity, wie wir während der Architekturführung von Torsten Stern erfuhren (ca. 10.000 EUR). Ein weiteres interessantes Detail aus der Vermarktung der Immobilie: Wie ich neulich schon in meiner kleinen Meldung von unterwegs berichtete, gab es keinen Innenausbau, d. h. die schicken Apartments wurden den neuen Eigentümern quasi im Rohbauzustand überlassen – vermarktet wurde das mit der schönen Makler-Wortschöpfung “Ready to design”.

Vierte Station: Bürogebäude “Dockland”, Fischereihafen Hamburg-Altona (BRT Bothe Richter Teherani)

Direkt am Hafenbecken des Fischereihafens in Hamburg-Altona liegt der spektakuläre Bürokomplex “Dockland”. Das ungewöhnliche, parallel zur Fliessrichtung in der Elbe liegende Grundstück wurde vor Baubeginn extra aufgeschüttet. So konnten die Architekten den vom Bauherrn gewünschten Effekt erzielen: Steht man auf einer der sechs Büroflächen am Kopf (Bug) des Gebäude, bietet sich ein Ausblick wie von der Brücke eines großen Schiffes. Eine weitere Besonderheit im Gebäude: die diagonal verkehrenden Personenaufzüge.

Bürogebäude "Dockland", Fischereihafen Hamburg-Altona (BRT Bothe Richter Teherani)
Bürogebäude “Dockland”, Treppen-Detail (Foto: Eric Sturm)

2005 wurde der Bau fertiggestellt. Der Entwurf für das Dockland stammt vom Hamburger Büro BRT Architekten Bothe Richter Teherani. Die fast 500 Quadratmeter große Dachterrasse bietet einen guten Blick über den Hamburger Hafen und das nördliche Elbufer; sie ist über eine der beiden Freitreppen für die Öffentlichkeit zugänglich. Neben dem Energiebunker also noch eine wunderbare (und architektonisch wertvolle!) Möglichkeit für einen Panoramablick über die Stadt.

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