dachkult.de – Die Rooftop Talks #6 in Stuttgart mit Henning Ehrhardt und Thomas Steimle
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Volles Haus im Stuttgarter “Haus der Architekten” an einem Montagabend Ende September. Trotz wunderschönem Spätsommerwetter war die Abendveranstaltung ausgebucht. Das Programm unter dem Motto „Urbane Dachlandschaften“: Vorträge von Henning Ehrhardt (bottega + ehrhardt architekten, Stuttgart) und Thomas Steimle (Steimle Architekten, Stuttgart) sowie eine Diskussionsrunde zum Thema.
Klaus H. Niemann eröffnete die Abendveranstaltung. Der Dach-Experte ist Sprecher der Initiative dachkult.de, die zu der Vortrags- und Diskussionsveranstaltung über den Dächern von Stuttgart geladen hatte. Dachkult ist eine Plattform zur Förderung der Baukultur mit geneigten Dächern, getragen von 22 führenden Hersteller der deutschen und internationalen Baustoffindustrie.
Website, Events und ein eigenes Magazin zum Thema “Steildach”
Dachkult richtet sich an Planer und Architekten, professionelle Bauherren wie Bauträger und Fertighaushersteller, private Bauherren und Kommunen sowie Hochschulen und Universitäten mit der Fachrichtung Architektur und Bauingenieurwesen.
Neben der zentalen Website dachkult.de und der Event-Reihe “Rooftop Talks” veröffentlicht Dachkult inzwischen auch ein eigenes Magazin: stadt/land/dach. Die erste Ausgabe lag natürlich auch im Foyer des Egon-Eiermann-Saals aus, siehe Foto oben. Das Magazin gibt es übrigens auch online, hier der Link zum E-Paper auf Yumpu.
Moderne geneigte Dächer von Niedersachsen und Thüringen über Stuttgart zum Bodensee: Das Programm der Rooftop Talks #6
Die Referenten des Abends stellte Moderator Jan R. Krause vor, er ist Professor an der Hochschule Bochum. Sowohl Henning Ehrhardt (Jahrgang 1966) als auch Thomas Steinle (Jahrgang 1974) zählen zu den “fast noch” jungen Büros, beide haben in Stuttgart studiert und in Stuttgarter Büros gearbeitet, bevor sie ihre eigenen Büros gründeten. Henning Ehrhardt startete zusammen mit Giorgio Bottega Ende der 1990er Jahre in die Selbständigkeit. Thomas Steimle gründete 2009 das eigene Architekturbüro, das er seit 2014 mit seiner Frau Christine Steimle führt.
Urbane Dachlandschaften bei den Rooftop Talks #6 in Stuttgart: Vortragsabend von dachkult.de mit Henning Ehrhardt und Thomas Steimle
Das Format der Rooftop Talks ist einfach: Jeder der beiden Referenten stellt in einem kompakten, frei gehaltenen Impulsvortrag ein oder mehrere Projekte aus dem eigenen Werk vor. An dem kurzweiligen Abend in Stuttgart lernten die Anwesenden so acht bemerkenswerte, moderne Interpretationen des Themas “Steildach” kennen. In der anschliessenden Diskussion konnten verschiedene architektonische Fragestellungen zur Entstehung der einzelnen Projekte aber auch zur Bedeutung des geneigten Daches in der zeitgenössischen Architektur im Allgemeinen vertieft werden.
Interessant zu sehen waren neben der Vielfalt der architektonischen Lösungen die unterschiedlichen städtebaulichen Kontexte der im “Haus der Architekten” vorgestellten Steildach-Beispiele. Freistehende Gebäude in großstädtischen bzw. vorstädtischen Situationen (in Ludwigsburg sowie mehrere in Stuttgart), aber auch im eher schwäbisch-dörflichen Pliezhausen. Im Gegensatz dazu standen die Projekte in dichten, kleinteiligen Strukturen, u. a. in den historischen Stadtkernen von Stadthagen (Niedersachsen) oder Waltershausen (Thüringen).
Vortrag von Henning Ehrhardt (bottega + ehrhardt architekten, Stuttgart): Schräge Moderne
Hinweis: Die folgenden Links im Text führen zu den ausführlichen Projektseiten auf den jeweiligen Büro-Websites.
Henning Ehrhardt stellte zu Beginn seines Vortrags ein frühes Werk vor, das Haus S in Ludwigsburg. Es erfüllt die baurechtlich geforderten 50° Dachneigung, bekommt aber durch die Fortführung der verputzten Fassadenflächen auf den Dachschrägen und mit seinen flächenbündig eingebauten Fenstern einen strengen, monolithischen Charakter.
Das Haus F34 in der Ulmer Altstadt (2013) respektiert die dort vorgeschriebenen Gestaltungsregeln (Dachdeckung aus anthrazitfarbenen Biberschwanzziegeln, Besenstrich-Putzfassade) und überzeugt gleichzeitig durch eine klare, zeitgenössiche Formen- und Architektursprache.
Ein Umbauprojekt ist das Haus H am nordwestlichen Rand der Stuttgarter Innenstadt (2016): Ein typisches, mit den Jahrzehnten überformtes Wohnhaus mit Satteldach, wie man es in Stuttgart häufig sieht, wurde von bottega + ehrhardt mit klugen Eingriffen in ein wohlproportioniertes, strahlendes Schmuckstück verwandelt.
Wie schon beim Haus S zeigt sich auch beim traufständigen Haus H die Straßenseite eher verschlossen. Auf der Gartenseite, zum Tal hin, öffnet sich das Gebäude und lässt viel Luft und Licht in die Wohnbereiche. Besonders spektakulär ist die Haupterschliessung: Aufgrund der Halbhöhenlage kann das Haus nun über einen Steg betreten werden.
Ein Wohnhaus mit trapezförmigem Grundriss ist das Haus SCH (2011), ebenfalls in Halbhöhenlage über der Stuttgart Innenstadt, diesmal im Stadtteil Killesberg. Hier ist das Motiv der auf die Dachschrägen “verlängerten” Fassade wiederzusehen: Großformatige, dunkel spiegelnde Aluminiumplatten lassen Aussenwand und Dach ineinander übergehen und betonen den expressiven Baukörper.
Vortrag von Thomas Steimle: “Immer gewesen sein was ich bin und doch so anders als ich war.”
Das Thema Steildach taucht in den vielfältigen Projekten von Steimle Architekten in unterschiedlichen Kontexten auf. Zu Beginn seines Vortrags erläuterte Thomas Steimle den Entwurf für das Projekt “Wohnen am Nordwall”, den Neubau und die Sanierung einer Wohnbebauung in der Altstadt von Stadthagen, Niedersachsen (2015): Zur Hauptstraße hin orientiert bilden ein denkmalgeschütztes, saniertes Fachwerkhaus und drei kleinmaßstäbliche, giebelständige Neubauten einen konsequent modernen und gleichzeitig harmonisch eingefügten Stadtbaustein.
Eine ähnliche “Operation” gelang dem Büro im thüringischen Waltershausen. Hier wurde das “Klaustor” saniert und erweitert (ab 2017). Das Hybridprojekt an der alten Stadtmauer kombiniert die öffentliche Nutzung als Museum mit einer kleinteiligen Wohnbebauung unter ortstypischen Steildächern.
Der zweite Teil von Thomas Steimles Vortrag war zwei inzwischen bundesweit bekannten und vielfach ausgezeichneten Projekten gewidmet: Einerseits dem “Findling” (offizieller Titel: Wohnhaus E20) im schwäbischen Pliezhausen, andererseits der Bibliothek Kressbronn. Das Sanierungs- und Umnutzungsprojekt einer historischen Scheune in der Bodensee-Gemeinde hat es Anfang Oktober 2019 auch in die Endauswahl des Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur geschafft.
Diskussion zum Thema Steildach: “In unserer Hochschulbildung gab es das Thema nicht”
Bei der abschliessenden Diskussion zwischen den Referenten, Dachkult-Vertreter Klaus H. Niemann und Moderator Jan Krause war es spannend, die Haltung der beiden Planer zu geneigten Dächern kennenzulernen. Die Aussage von Klaus H. Niemann, dass “in früheren Jahren an den Hochschulen das Thema “Steildach” zu kurz kam” war Konsens unter den Akteuren des Abends: “In unserer Hochschulbildung in den 1990er Jahren gab es das Thema nicht” erinnerte sich Thomas Steimle. Und mit Blick auf die bei den Rooftop Talks präsentierten Projekte meinte der Stuttgarter Architekt: “Was alle Gebäude gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass sie durch die Ausbildung des Steildachs einen Mehrwert gewonnen haben”.
“Das Material sah super aus, und wir haben gesagt: Genau so wollen wir es haben!”
Darüber hinaus gab es lustige Einzelheiten und Anekdoten aus der Entstehungsgeschichte der ausgewählten Projekte. So erfuhren die Zuhörer, dass die Dachdeckerzunft in Ludwigsburg gar nicht glücklich war mit dem Ansatz von bottega + ehrhardt, die verputzte Fassade einfach über das Dach bis zum First zu verlängern. Oder dass die Dachdeckung von Steimles “Findling” mit davon beeinflusst war, dass man im Büro eine Kiste mit Materialmustern “auf der falschen Seite geöffnet” habe. “Aber das Material sah super aus, und wir haben gesagt: Genau so wollen wir es haben!” so Thomas Steimle.
Dass moderne Bauten in altstädtischen oder eher traditionell geprägten Kontexten polarisieren können, bestätigten beide Architekten. “Mir hat aber noch niemand die Reifen zerstochen” sagte Henning Ehrhardt lachend. Aus seiner Sicht komme es auf eine klare architektonische Haltung an, die den Bestand respektiert: “Das Stadthaus in Ulm wird definitiv positiv wahrgenommen, weil es sich einerseits den Vorgaben der Stadt unterwirft und gleichzeitig versucht, seine Entstehungszeit zu dokumentieren und trotzdem Teil des städtebaulichen Kontextes zu sein.”
Video: Die Rooftop Talks #6 “Urbane Dachlandschaften” in voller Länge!
Tipp: Die Rooftop Talks #7 in Bochum
Am 18. November 2019 steht die nächste Ausgabe der Dachkult-Rooftop Talks an. Ab 18:00 Uhr geht es im Pumpenhaus an der Jahrhunderthalle um das Thema “Dach – Trans – Formation”. Die Referenten sind Achim Pfeiffer
Architekturbüro Heinrich Böll, Essen und André Habermann, habermann.decker.architekten, Lemgo. Weitere Informationen gibt es auf dachkult.de, die kostenlose Anmeldung ist ab sofort auf eventbrite.de möglich.