Dachkult-Rooftop Talks #10 – Teil 2: Neue Ateliers Kunstakademie Münster / Andreas Schüring
20.11.2020
Gesponserter Beitrag
Bei den zehnten Dachkult Rooftop Talks gab es eine Premiere: Aufgrund der aktuellen Corona-Situation fand die Veranstaltung als Livestream statt. Thema am 26.10.2020 war die Atmosphäre unter dem Steildach: Licht – Raum – Dach.
Dabei ging es um die wichtige Frage: Wie wird Atmosphäre erzeugt? Und: Wie wird die wichtigste Qualität – das Tageslicht – im Dachraum in Szene gesetzt? Die beiden Münsteraner Architekten Christian Pohl (hehnpohl architektur) und Andreas Schüring – beide in Münster tätig – stellten dazu jeweils ein Münsteraner Projekt vor. Lichtdurchflutete Räume in steilen Dächern zum Arbeiten und Wohnen.
Dies ist der zweite Teil meines Berichts von den Dachkult-Rooftop Talks #10. Teil eins finden Sie hier.
Neue Ateliers für die Kunstakademie Münster – Andreas Schüring
Nach der Begrüßung durch Klaus H. Niemann, Sprecher von Dachkult und der Einführung von Prof. Jan Krause (Hochschule Bochum) stellte der Münsteraner Architekt Christian Pohl das inzwischen sehr bekannte “Haus am Buddenturm” am Rande der Altstadt von Münster.
Als zweites Projekt des Abends standen die “Neuen Ateliers Kunstakademie Münster” – so der offizielle Titel – auf dem Programm. Architekt Andreas Schüring, dessen Büro Andreas Schüring Architekten BDA das Projekt zusammen mit Bühler & Bühler Architekten BDA (München) entworfen, geplant und realisiert haben, stellte das ungewöhnliche Umbauprojekt (Fertigstellung: April 2018) vor.
Der Umbau der beiden historischen Turmbauten aus der Kaiserzeit (ca. 1870 bis 1880) und die Bereitstellung zweier großer, flexibel nutzbarer (und gleichzeitig perfekt belichteten) Ateliers reagiert auf die Anforderung des zeitgenössischen Kunstbetriebes, “in Großformaten und vor allem raumgreifend zu arbeiten” so Andreas Schüring.
Vom Heuboden zum lichtdurchfluten Atelierraum
Ort des Geschehens ist der “Leonardo Campus” – auch Campus der Künste genannt. An dem Hochschulstandort im Norden von Münster werden Künstler, Designer und – an der Münster School of Architecture (MSA) – Architekten ausgebildet. Darunter befand sich vor einigen Jahren auch Andreas Schüring selbst, der hier nach der Jahrtausendwende Architektur studierte.
Das universitäre Ensemble besteht aus den Bauteilen einer ehemaligen preussischen Kürassier-Kaserne sowie verschiedenen Neubauten. Um Platz für die neuen Ateliers zu schaffen, bauten die Planer im Auftrag des Landes NRW die ehemaligen Reiterställe der Kaserne um. In deren Erdgeschossen wurden ab dem Jahr 2000 erste Ateliers eingebaut, die Obergeschosse – früher Heulager für die darunter befindlichen Stallungen – und insbesondere die beiden Turmbauten waren bislang jedoch noch ungenutzt.
Laut Andreas Schüring war “der ursprüngliche Plan, die Umbauten durchzuführen, ohne das bestehende Tragwerk zu verändern.” Während der ersten Untersuchungen der Dachstühle aus Holz stellte sich aber heraus, dass der Holzwurmbefall schon so stark vorangeschritten war, dass ein Erhalt des Dachstuhls nur mit vielen Ausbesserungen möglich gewesen wäre. So entschieden sich Planer und Bauherren in Abstimmung mit dem Denkmalschutz der Stadt Münster für einen Rückbau des historischen Dachstuhls und einer Neukonstruktion des Dachaufbaus.
Zu Beginn des Umbaus wurden zunächst die einfachen Dachstühle der beiden Turmbauten abgetragen. Die so freigelegte Mauerwerkskrone war nun die Basis der zwei neuen Dächer. Vor der Montage der Dachkonstruktion wurde das historische Mauerwerk durch eine 5 bis 10 cm dicke Höhenausgleichsschicht aus Beton nivelliert (siehe Fassadenschnitt 1:10, Punkt 18). Darauf verläuft ein horizonaler Fachwerkträger, davor die Traufverglasung. Darüber “schweben” die Dächer aus diagonal verlaufenden, freitragenden Holzbauelementen (aus Furnierschichtholz), die die historische Form der Walmdächer nachzeichnen.
“Eine Lösung, die alle Akteure zufrieden stellt: Die Künstler, die Denkmalpflege – und die Architekten” (Andreas Schüring)
Durch die zentrale Umsetzungsidee der U-förmig umlaufenden Traufverglasungen konnten die Planenden mehrere Anforderungen befriedigen, vor allem natürlich die Wünsche der Nutzer*innen nach viel Tageslicht. Aber auch die Befürchtungen der Denkmalpflege, dass durch die architektonischen Eingriffe die vielschichtige Dachlandschaft der ehemaligen Stallungen “durchlöchert wird wie ein Schweizer Käse” (Schüring) konnten so entkräftet werden.
Im Innenraum dominiert das rohe Holz: Böden und Wände – die sogenannte “Untere Raumschale” (Schüring) besteht aus Dreischichtplatten, darunter befindet sich eine Hypokaustenheizung. Die Wände der Raumschale wurden mit einer Innendämmung vor das historische Mauerwerk platziert. Neue Kastenfenster, bündig mit den hölzernen Innenwandflächen geben den Blick frei auf die Sprossenfenster aus dem vorletzten Jahrhundert. Auch in diesen Details zeigt sich die hohe Qualität des architektonischen Eingriffs: Das “Alte” wird gewertschätzt, im Blickfeld der Nutzer*innen belassen und lediglich dezent ertüchtigt.
Die Innenansicht des diagonalen Daches setzt die Dynamik der Fachwerkträger fort
Das Dach, zusammengesetzt aus den vorgefertigten Holzbauelementen setzt die diagonalen Richtungen des umlaufenden Fachwerkträgers fort und bringt so eine dezente Dynamik in den Raum. Dabei wurde die statisch wirksame Platte von den Planern bewusst nach unten gedreht, damit sie im Raum wahrnehmbar wird. Darüber liegt, zwischen den Dachrippen, die Dämmung.
“Wir haben dabei nicht mit einem anderen Material gearbeitet, sondern auch mit Holz – aber in der modernsten Fassung”
Andreas Schüring
Die Lichtstimmung ist geprägt von den hellen, warmen Holztönen und dem gefühlt allseitig einfallenden Tageslicht. Ein Blendschutz sorgt dafür, dass der ganze Raum fast schattenlos belichtet wird. Die Traufverglasung ist sprossenlos, das Glas klar und ohne Grünstich. Mit dem Einsetzen der Dämmerung übernehmen 40 Spots unterhalb der Decke die Beleuchtung der Atelierflächen.
“Ein lichtdurchfluteter Raum, der sich harmonisch in die Dachlandschaft integriert und wie selbstverständlich funktioniert”
Die schräge Verglasung wurde geschickt zwischen Regenrinne und Dachhaut platziert, so dass man aus der Fußgängerperspektive fast nicht sieht, dass sich oberhalb der Traufe ein umlaufendes Fensterband befindet. Bei bestimmten Lichtverhältnissen spiegelt sich sogar die Dachdeckung auf den großformatigen Glaselementen. So wird die klassische Dachhaut optisch bis zur Traufe weitergeführt.
Auf diese Weise gelingt die Integration der hochmodernen Räume in das gründerzeitliche Ensemble. Die historische Dachlandschaft wurde neu interpretiert und vitalisiert.
Teil 1 der Dachkult-Rooftop Talks #10: Das ‘Haus am Buddenturm’ in Münster
Der oben stehende Text ist der zweite Teil meines Berichts über die Dachkult Rooftop Talks #10 am 26.10.2020. Im ersten Teil berichte ich über Christian Pohls Vorstellung des Bauprojektes “Haus am Buddenturm” (hehnpohl architektur bda) am Rande der Altstadt in Münster.