Ernst Neufert: Ein Pionier der Standardisierung in Architektur und Bauwesen
Ernst Neufert (1900-1986) gilt als einer der einflussreichsten Architekten und (Architektur-)Lehrenden des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Mit seinen Arbeiten zur Rationalisierung von Bauprozessen und der Entwicklung standardisierter Planungsgrundlagen prägte er Generationen von Architekten weltweit.
Ausbildung
Ernst Neufert wurde am 15. März 1900 in Freyburg an der Unstrut geboren. Bereits mit 12 Jahren begann er eine Maurerlehre und sammelte fünf Jahre lang praktische Erfahrungen auf Baustellen. Mit 17 Jahren trat er in die Baugewerkschule Weimar ein, wo er seine formale Ausbildung begann. Im Gründungsjahr des Bauhauses 1919 gehörte er zu den ersten Schülern unter der Leitung von Walter Gropius.
Bauhaus und Frühwerk
Nach seinem Abschluss 1920 unternahm Neufert eine Studienreise nach Spanien. Dort zeichnete er mittelalterliche Kirchen und traf in Barcelona den legendären Architekten Antoni Gaudí, dessen organische Formen ihn nachhaltig beeinflussten. Zurück in Deutschland arbeitete er eng mit Walter Gropius zusammen und war 1925 maßgeblich an der Realisierung des Bauhaus-Neubaus in Dessau beteiligt.
Lehre und Normung
1926 begann Neufert seine Lehrtätigkeit an der Baugewerkschule Weimar. Er erkannte früh die Notwendigkeit der Rationalisierung im Bauwesen und setzte sich für standardisierte Planungsgrundlagen ein. Sein Ziel war es, durch Normung die Effizienz im Bauprozess zu steigern und eine einheitliche Qualität zu gewährleisten.
„Bauentwurfslehre“ – ein Standardwerk der Architektur
1936 veröffentlichte Ernst Neufert sein Hauptwerk „Bauentwurfslehre“, das bis heute als unverzichtbares Nachschlagewerk für Architekten und Studierende gilt. Das Buch bietet eine umfassende Sammlung von Planungs- und Gestaltungsgrundlagen, detaillierten Maßangaben und funktionalen Anforderungen für eine Vielzahl von Gebäudetypen.
Mit über 500.000 verkauften Exemplaren und Übersetzungen in 17 Sprachen hat die „Bauentwurfslehre“ die architektonische Praxis weltweit beeinflusst.
Spätere Karriere und Einfluss
Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Neufert unter Albert Speer an der Standardisierung deutscher Industriebauten. Nach Kriegsende setzte er seine Lehrtätigkeit fort und wurde Professor an der Technischen Hochschule Darmstadt (heute „TU Darmstadt“).
1953 gründete er zusammen mit seinem Sohn Peter ein eigenes Architekturbüro, in dem zahlreiche Projekte realisiert wurden. Das Buch „Ernst Neufert Peter Neufert“ (2014, siehe unten), stellt diese Bauten ausführlich vor.
„Vater und Sohn stehen mit ihren Gebäuden für die Moderne sowie den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg. Ernst Neufert etwa entwickelte das streng funktionalistische Versandzentrum von Quelle in Nürnberg. Die neuen technischen Entwicklungen des Spannbetons ermöglichten Peter Neufert kühne Formexperimente, die seine Ende der 1960er-Jahre entstandenen Bauten deutlich von denjenigen seines Vaters unterscheiden. Der Band dokumentiert anhand von großformatigen Fotos den Istzustand von sechs ausgewählten Bauprojekten der beiden Architekten und führt die Qualität und Bedeutung ihrer Entwürfe vor Augen.“
(Aus der Buchbeschreibung des Verlags)
Vermächtnis
Ernst Neuferts Einfluss reicht weit über seine gebauten Werke hinaus. Seine Bemühungen um Standardisierung und Effizienz im Bauwesen haben die architektonische Praxis nachhaltig geprägt. Die von ihm gegründete Neufert-Stiftung mit Sitz in seinem ehemaligen Wohnhaus in Gelmeroda fördert sein Erbe durch Ausstellungen, Veranstaltungen und die Unterstützung von Architekturstudenten.
Am 23. Februar 1986 starb Ernst Neufert in Bugneaux-sur-Rolle, Schweiz. Seine Vision einer rationalisierten und standardisierten Architektur lebt in der zeitgenössischen Praxis weiter und bleibt eine Grundlage der Architekturausbildung.