Ettersburger Gespräch verabschiedet Strategiepapier für mehr Fairness beim Bauen

“Wir brauchen eine Kultur des Vertrauens beim Bauen zwischen Auftraggebern, Planern, Auftragnehmern, den beteiligten Gewerken und der Öffentlichkeit.” sagte Reiner Nagel, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, bei der Verabschiedung des Strategiepapiers zum Ettersburger Gespräch 2015. “Nur so können wir angesichts der zunehmenden Komplexität beim Planen, bei Normen und in der Bauwirtschaft noch gut gestaltete und hochwertige Gebäude und Freiräume realisieren”.

Vom 17. bis 18. September 2015 trafen sich mit rund 80 Teilnehmern die Entscheider der Bau- und Immobilienbranche zum Erfahrungsaustausch auf Schloss Ettersburg bei Weimar. Zum Thema des mittlerweile siebten Ettersburger Gesprächs “Beteiligte – Fairness – Baukultur.” begrüßte Gunther Adler, Staatssekretär aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und Stiftungsratsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur. Die 518 Millionen Euro Wohnbauförderung reichten nicht aus, man habe für die folgenden Haushaltsjahre eine Verdopplung beantragt, so Adler.

350.000 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr bis 2020

Die Bedarfsprognose für neue Wohnungen sei aufgrund der hohen Zuwanderungszahlen in den letzten Wochen angehoben worden. Die Prognose des BBSR gehe nun von 350.000 bis 400.000 Wohnungen pro Jahr bis 2020 aus. Den aktuellen Flüchtlingsstrom bezeichnete Adler als “Sondersituation”, innerhalb derer die Baukultur natürlich Teil sei, da nicht nur schnell und viel, sondern auch gut gebaut werden müsse. Man wolle keine grauen Ghettos oder Flüchtlingssiedlungen am Rande der Stadt, man brauche Orte und Plätze, an denen sich die Bürger wohlfühlten, doch mangelhafte Gestaltung werde oft nicht als Problem wahrgenommen. Hier solle sich die Bundesstiftung weiter für die Qualität beim Bauen einsetzen. Adler appellierte an die Anwesenden, den Zuzug Schutzsuchender mit ihren Möglichkeiten zu unterstützen und so die Gefahr einer Konkurrenzsituation um bezahlbaren Wohnraum zu vermeiden.

Andreas Schulten, Bulwiengesa AG, sprach in seinem Impulsvortrag zur Verantwortung der Immobilienwirtschaft und der Suche nach Rendite in einem extrem zyklischen Markt. Wie weit dürfe Ökonomisierung gehen? Prof. Thomas Auer, Transsolar Energietechnik GmbH, fragte nach der Verantwortung der Planer. Der Bauherr müsse verstärkt in die “Phase Null” investieren. Innovation schaffe man zudem am besten aus der Baupraxis heraus und nicht unbedingt in der “stillen Kammer” der Forschungsinstitute.

Erfahrungsaustausch anhand von konkreten Bauprojekten

Anhand von fünf Projekten tauschten die Teilnehmer in Ettersburg Erfahrungen aus. Der Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main wurde gleich von drei Projektbeteiligten präsentiert: Prof. Frank Stepper, COOP HIMMELB(L)AU, sprach aus der Sicht des Architekten, Thomas Rinderspacher als EZB-Projektleiter und Bauherr sowie Stefan Böhling, spannverbund GmbH, aus Sicht eines maßgeblichen Bauunternehmers des konstruktiven Ingenieurbaus. Rinderspacher betonte die Offenheit und Fairness aller Beteiligten von Beginn an, nur so habe man es geschafft, den ambitionierten Bau im Zeit- und Kostenrahmen zu halten. Zudem plädierte er für einen zentralen Ansprechpartner in der Verwaltung, der die Genehmigungen koordiniert.

Strategiepapier zum Ettersburger Gespräch 2015

Mit der einstimmigen Verabschiedung des Strategiepapiers durch die Teilnehmer des Ettersburger Gesprächs (hier zum Download) soll das gemeinsame Ziel der Baukultur bei der Vielzahl der am Bau beteiligten Wirtschaftszweige herausgestellt werden. Baukultur ist kein natürlicher Konsens, sondern Ergebnis von Aushandlungsprozessen verschiedener Akteure mit ganz unterschiedlichen Interessen. Das Strategiepapier wendet sich an Akteure in Politik, Bauwirtschaft, an Medien und allgemeine Gesellschaft. In vier Thesen werden Empfehlungen und Forderungen formuliert:

– Zusammenarbeit durch faires Verhalten stärken
– Kosten und Nutzen durch Prozesskultur optimieren
– Technische Entwicklungspotenziale mobilisieren und zusammenführen
– Normierungsflut eindämmen

 

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