“Ressourcen und Recycling”: Die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen ist eines der Leitthemen der BAU ONLINE 2021

Die „Kreislaufwirtschaft“ – neudeutsch auch „Circular Economy“ genannt – ist im Bauwesen angekommen. Forschungsvorhaben und Pilotprojekte zeigen die Möglichkeiten und vor allem: die Machbarkeit des Recyclings am Bau: Fenster, Wand- und Bodenbeläge, Fassadenmaterialien oder Kabel werden dabei so verbaut, dass sie später komplett demontierbar und damit „kreislauffähig“ sind. Aus Beton (Stichwort RC-Beton!), Metallen, Ziegeln, Gips oder sogar Lehm lassen sich inzwischen neue Baustoffe gewinnen.

“Ressourcen und Recycling” im Forum ‘Zukunft des Bauens’ auf der BAU ONLINE

Damit die Bauwirtschaft in Zukunft weniger Anteil am weltweiten Ressourcenverbrauch und am Massenmülllaufkommen hat, bearf es anderer Bauprozesse sowie teilweise auch anderer Bauprodukte. Gebäude müssen in Zukunft so geplant, gebaut und montiert werden, dass sie demontierbar sind und die Bauteile und wiederverwendet werden können. Doch dafür muss sich auch unser Verständnis von Gebäuden an sich ändern. Wie kann das gehen?

Am Donnerstag, 14.01.2021 geht es von 13:00 bis 14:40 Uhr auf der BAU ONLINE im Forum ‘Zukunft des Bauens’ ganz konkret um das Thema “Ressourcen und Recycling”. Architekt*innen und Ingenieur*innen zeigen Beispiele, bei denen das bereits heute Realität ist und erklären Zukunftsstrategien.

Angefragte Referenten (Stand Anfang Dezember 2020):

  • Peter Mösle, DGNB Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, Stuttgart
  • Antonino Vultaggio, HPP Architekten, Düsseldorf
  • Verena Brehm, Cityförster, Hannover
Die BAU wird 2021 als digitales Format umgesetzt (Foto: Messe München)
Die BAU wird 2021 als digitales Format umgesetzt (Foto: Messe München)

Wände aus Bauschutt, Dämmung aus altem Hosenstoff und Schraubverbindungen statt Schweißnähten

Worum geht es bei der Kreislaufwirtschaft am Bau konkret? Der Begriff „Recycling“ ist altbekannt, doch hat sich seine Bedeutung erweitert: Er steht heute im Baubereich nicht mehr nur für einfache Verfahren wie die Aufbereitung von Bauschutt, um diesen als Schüttgut im Straßenbau einzusetzen. Auch die Verwendung von Ziegelsplit als Vegetationssubstrat im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau ist eher ein „Downcycling“, also ein Recyling mit Qualitätsverlust.

Urban Mining: Städte und Gebäude werden zum Rohstofflager von morgen

Wird die Materialqualität dagegen erhalten oder gar verbessert, wird das Recycling zum „Upcycling“ und die Gebäude von heute zum Rohstofflager von morgen. Bestandsbauten werden nicht mehr als Abbruchmasse, sondern als Wertstoffdepot gesehen. Darum sprechen Stadtplaner inzwischen vom „Urban Mining“.

Wie das aussehen kann, ist besonders eindrucksvoll in Dübendorf bei Zürich zu besichtigen. Alle Baumaterialien, die für die Wohneinheit UMAR (Urban Mining and Recycling Unit) von Werner Sobek, Dirk E. Hebel und Felix Heisel verwendet wurden, sind zu 100 Prozent wiederverwendbar, viele Teile stammen aus Altbauten. Besonders wichtig für die Wiederverwertbarkeit ist, dass die Materialien nicht fest miteinander verbunden, sondern verschraubt, gesteckt oder geklemmt sind. Erst dadurch wird die spätere sortenreine Trennung und Wiederverwertung überhaupt möglich.

In einem Video für die Messe IFAT stellen die Beteiligten das Baustoff-Recycling- und Urban-Mining-Projekt in der Schweiz vor.

Wiederverwertung – beim „Bauen im Bestand“ und bei Neubauprojekten

Auch beim Bauen im Bestand können Baumaterialien dem Nutzungskreislauf wieder zugeführt werden, wie es der britische Architekt David Chipperfield beim Wiederaufbau des Neuen Museums in Berlin praktizierte. 350.000 Mauerziegel ließen die Planer aufbereiten. Das historische Baumaterial wurde als eindrucksvolles Sichtmauerwerk in einer der Ausstellungshallen einer neuen Nutzung zugeführt. Mauerziegel und Dachziegel eignen sich in der Regel bestens für die Wiederverwertung. Beim Bauen im Bestand schlagen sie mit ihrer Patina und besonderen Ästhetik eine Brücke zwischen „Alt“ und „Neu“. Inzwischen wurde die erste Europäische Technische Zulassung (ETA) für gebrauchte Mauerziegel erteilt.

Dass Beton auf wirtschaftliche Weise wiederverwendet und damit ebenfalls Teil der „Circular Economy“ sein kann, wird durch viele bereits realisierte Bauprojekte deutlich, bei denen Recycling- oder RC-Beton den herkömmlichen Beton gemäß der bisherigen Richtlinien bis zu 45 Prozent ersetzt. Forschungsprojekte sehen hier noch weiteres Potential – bis hin zum hundertprozentigen Einsatz von Recycling-Beton. So oder so werden wertvolle Baustoffe gespart, Transporte vermieden und Deponiekapaziäten geschont.

RC-Beton: Sortenreine Trennung direkt auf der Baustelle

Wie beim Einsatz von RC-Beton die sortenreine Trennung und Wiederverwertung direkt auf der Baustelle funktionieren, zeigen die folgenden zwei Beispiele:

Auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne soll aus insgesamt 300.000 Tonnen Beton-, Ziegel- und Mörtelresten an Ort und Stelle Recycling-Beton für den Neubau eines Wohnquartiers gewonnen werden. Das Novum bei dem Modellprojekt der Hochschule München: Der RC-Beton soll den klassischen Beton zu 100 Prozent ersetzen – „Kreislaufwirtschaft“ vom Feinsten!

Im hessischen Korbach hat das Planungsbüro agn eine Rathauserweiterung aus den 1970er Jahren selektiv bis auf den Rohbau zurückgebaut. Direkt auf der Baustelle erfolgte die sortenreine Trennung von Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik. In einem regionalen Recycling-Betrieb wurde der Betonbruch weiter zerkleinert und gesiebt, so dass er schließlich im Betonwerk mit Zement und Wasser zu neuem Beton für den Neubau der Rathauserweiterung verarbeitet werden konnte.

Kreislaufgerechte Verwertung von Kleinstpartikeln

Stichwort „Fein“: Eine große Herausforderung bei der kreislaufgerechten Verwertung von Bauschutt stellen sogenannte „Kleinstpartikel“ dar. Teilchen von weniger als zwei Millimeter Größe, z. B. aus Kalksandstein, Beton, Ziegel oder Gips, wie sie typischerweise beim Abbruch von Gebäuden anfallen.

Aber auch dafür gibt es Lösungen: Wissenschaftler verschiedener Fraunhofer-Institute haben im Projekt „BauCycle“ neue Verwertungsmethoden für feinste mineralische Abbruchmaterialien erforscht und ein optisch-pneumatisches Sortierverfahren entwickelt. So konnten feinteilige Sekundärrohstoffe für die qualitativ hochwertige Weiterverwendung gewonnen werden.

Recycling erfordert ein Umdenken aller Beteiligten

Mit Blick auf die knapper werdenden Ressourcen (Beispiel: Sand) und die begrenzten Kapazitäten von Bauschuttdeponien wird klar, dass die Kreislaufwirtschaft am Bau auch wirtschaftlich vorteilhaft ist. Neue Denkansätze wie der „Material Passport“, mit dem die verbauten Materialien dokumentiert und ihr Wert für die Wiederverwendung beziffert wird, ermöglichen in Zukunft sogar für die Finanzierung von Bauprojekten neue Möglichkeiten. Darüber hinaus trägt die im Idealfall lokale bzw. regionale Wiederverwertung von Baustoffen dazu bei, dass der hohe Energieverbrauch für Förderung und Produktion sowie für den Transport zur Baustelle erheblich reduziert werden kann.

Umdenken und neue, ressourcenschonende Lösungen finden müssen Hersteller, Architekten und Ingenieure ebenso wie die Verarbeiter aus Handwerk und Baugewerbe. Es mag nicht immer leicht fallen, doch die ersten Recycling-Projekte zeigen: Hier bieten sich für alle am Bau Beteiligten auch große Chancen und Wettbewerbsvorteile.

Die vier Leitthemen der BAU ONLINE 2021

Neben dem hier beschriebenen Thema “Ressourcen und Recycling” hat die Messe München drei weitere Leitthemen für die BAU 2021 festgelegt: “Digitale Transformation”, “Wohnen in der Zukunft” sowie “Herausforderung Klimawandel”. Viele Aussteller werden auf ihren virtuellen Messeständen entsprechende Lösungen und Präsentationen anbieten. In den Foren der Messe werden die Leitthemen unter verschiedenen Aspekten erörtert und diskutiert.

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