Ein Gastbeitrag von Dipl.-Ing. Georg J. Kolbe

Nach rund 100 Jahren wurde die von Bruno Taut und Franz Hoffmann geschaffene Siedlung “Attilahöhe” der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG saniert.

Durch intensive Recherche, Putzanalysen und restauratorische Befunde konnte der originale Farbton der straßenseitigen Fassade definiert und mit einem mineralischen Kratzputz wiederbelebt werden. Drei der vier Bauabschnitte wurden bis zum Herbst 2023 abgeschlossen, darunter auch die denkmalgerechte Sanierung des Kopfbaus und des Gemeinschaftshauses.

Mit seinem Engagement für den sozialen Wohnungsbau prägte Bruno Taut im vergangenen Jahrhundert eine neue Architektur. In Berlin entstanden nach seinen Entwürfen über zehntausend Wohnungen. Zwischen 1928 und 1930 plante er mit Franz Hoffmann die Wohnanlage Attilahöhe in Berlin-Tempelhof (Link zu Google Streetview).

Das Gemeinschaftshaus in der Tankredstraße 13 beherbergte in den vergangenen 100 Jahren sowohl Ladenlokale und einen Kindergarten als auch das Waschhaus, die Heizzentrale und Wohnungen (Foto: Saint-Gobain Weber)
Das Gemeinschaftshaus in der Tankredstraße 13 beherbergte in den vergangenen 100 Jahren sowohl Ladenlokale und einen Kindergarten als auch das Waschhaus, die Heizzentrale und Wohnungen (Foto: Saint-Gobain Weber)

Der architektonische Stil der aus fünf Baublöcken bestehenden Siedlung ist sachlich-funktionalistisch, geprägt durch klare Linien und eine schlichte Fassadengestaltung. Auffälligstes Merkmal ist ein viergeschossiges Gemeinschaftshaus, das in den rund 100 Jahren seines Bestehens sowohl Ladenlokale und einen Kindergarten als auch das Waschhaus, die Heizzentrale und Wohnungen beherbergte.

Von dem dominanten Kopfbau geht bogenförmig die Wohnbebauung an der Tankredstraße ab. Durch die spitz zulaufenden Seitenstraßen entstand ein rautenförmiger Block. Ihre geschlossene Form erhielt die Siedlung allerdings erst in 1936/37 durch eine von Franz Hoffmann ergänzte, dreigeschossige Blockrandbebauung. Nachdem die Häuser Tankredstraße 1-9 am Ende des Zweiten Weltkrieges beschädigt worden waren, wurden Teile der gesamten Anlage durch Franz Hoffmann 1951 neu konzipiert und unter seiner Leitung neu aufgebaut.

Spurensuche im Sinne des Denkmalschutzes

Im Jahr 2019 wurden Blumers Architekten von der Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG mit der Sanierung der Wohnanlage beauftragt. Da das Objekt in der Denkmalliste des Landes Berlin als Gesamtanlage geführt wird und vier der fünf Baublöcke dem Denkmalschutz unterliegen, wurden sämtliche Maßnahmen eng mit den Vertretern der Denkmalschutzbehörde abgestimmt.

Der Sanierung legten Blumers Architekten existierende Gutachten zugrunde. Außerdem beauftragte die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG 2020 den Berliner Diplom-Restaurator Stefan Grell mit restauratorischen Untersuchungen und detaillierten Putzanalysen. Diese wurden als Stichproben an zehn Objektbereichen durchgeführt. Dabei identifizierte der Restaurator bis zu vier unterschiedliche Schichten, die er drei Renovierungsphasen zuordnete.

Was dies in der Praxis bedeutet, zeigt das Beispiel des Wasch- und Heizhauses. Dieses war den Analysen zufolge bauzeitlich mit einem roséfarbenen durchpigmentierten Glattputz ausgeführt worden, der nach dem Krieg sandfarben überarbeitet worden war. In einer späteren Bauphase erhielt dieser sandfarbene Putz eine weiße Anstrichgrundierung und einen hellgrauen Fassadenanstrich. Im Zuge der Überarbeitung der Innenhoffassaden wurden dann Teile des Waschhauses mit gelben Spritzputzen überarbeitet.

Restauratorische Empfehlung

Generell riet Stefan Grell in seiner Empfehlung dazu, die Edelputzfassaden in ihrer Stofflichkeit und hohen Materialqualität zu erhalten und nicht mit einer Farbschicht zu überdecken. Ein hoher Schädigungsgrad durch zahlreiche artfremde Putzausbesserungen und abgängige Putzflächen sowie der natürliche Verschleiß machten eine vollständige Erneuerung oder zumindest die exakte Anarbeitung und Nachstellung an die überkommene Bestandsituation notwendig.

Für die Fassadenreinigung empfahl der Diplom-Restaurator substanzschonende Verfahren, insbesondere an den Durchfahrtswänden, dem Ziegelsockel, den Eingangsgewänden und der Edelputzfassade. Alle Instandsetzungsverfahren wurden gemäß Empfehlung anhand von Musterflächen beprobt und zur Freigabe durch die Denkmalschutzbehörde vorgestellt.

Bemusterung zur Farb- und Strukturauswahl

Aufgrund der langjährigen Erfahrung und Kompetenz bei der Herstellung von Edelkratzputzen wählten Planer, Bauherrin und Restaurator Saint-Gobain Weber als Partner bei der Rekonstruktion der Putzflächen. Auf Basis der Putzanalysen und nach den strengen Auflagen des Denkmalschutzes wurden Musterplatten mit Strukturen und Farbtönen hergestellt. So konnten beispielsweise die unterschiedlichen Farbeffekte verdeutlicht werden, die durch das Reiben oder Kratzen einer Fassade entstehen. Auch eine Behandlung mit Egalisierungslasur wurde anhand der Muster erprobt. Im weiteren Bemusterungsprozess glichen die Baubeteiligten die verschiedenfarbigen Putzmusterplatten mit Proben des Bestandsputzes ab. Ziel war es, einen Kompromiss zwischen ursprünglicher Zusammensetzung und dem heutigen Stand der Technik zu finden.

Systematische Instandsetzung

Nachdem Strukturen und Farben festgelegt und von der Denkmalschutzbehörde genehmigt worden waren, begann die BIG.B Bau- und Instandsetzung GmbH mit den Putzarbeiten. Straßenseitig wurden alle Fassadenflächen zunächst bis auf die Rohbauwand zurückgebaut und anschließend mit einem Vorspritzmörtel vorbehandelt. Anschließend trugen die Fassadenprofis einen Unterputz mit 15 mm Stärke auf. Als Oberputz kam der mineralische Edelkratzputz weber.top 200 AquaBalance in Körnungen zwischen 2 und 5 mm zum Einsatz.

Wie alle Oberputze von Saint-Gobain Weber ist auch dieser mit der umweltschonenden AquaBalance-Technologie ausgestattet. Diese greift das mineralische Wirkprinzip auf und verstärkt es: Feuchtigkeit wird von der Fassadenoberfläche in feine Kapillare transportiert und kontrolliert wieder abgegeben. Auf diese Weise trocknet die Fassade schneller ab, Algen und Pilzen wird die Grundlage entzogen und so der Bewuchs an der Fassade verhindert – ohne die sonst üblichen, umweltschädlichen Biozide.

Die Farbgebung der Putzfassaden orientierte sich am historischen Vorbild. Während die Hausnummern 1-9 eine beigefarbene Gestaltung erhielten, fiel die Wahl bei den Hausnummern 11-15 auf einen roséfarbenen Farbton. Die Fassaden an der Tankredstraße 17-23 zeigten sich in gutem Zustand, so dass hier nach einer substanzschonenden Heißwasser-Spülreinigung durch die Firma Grundmann Restaurierung, Berlin, nur Fehlstellen ausgebessert wurden. Hofseitig dagegen war es über die Jahre zu starken Absandungen gekommen, so dass die Fassade flächig mit einem dünnschichtigen System aus Armierungsschicht und Filzputz in einer Gesamtstärke von 7-8 mm überarbeitet wurde. Auch hier wurde der Farbton an den Bestand angepasst.

Die Klinkerflächen in den Durchfahrten zum Innenhof wurden erhalten und nur stellenweise ausgebessert (Foto: Saint-Gobain Weber)
Die Klinkerflächen in den Durchfahrten zum Innenhof wurden erhalten und nur stellenweise ausgebessert (Foto: Saint-Gobain Weber)
Als Oberputz kam der mineralische Edelkratzputz weber.top 200 AquaBalance zum Einsatz. Die Hausnummern 1 bis 9 wurden in beigem Farbton und mit einer Körnung von 5 mm ausgeführt (Fotos: Saint-Gobain Weber)
Als Oberputz kam der mineralische Edelkratzputz weber.top 200 AquaBalance zum Einsatz. Die Hausnummern 1 bis 9 wurden in beigem Farbton und mit einer Körnung von 5 mm ausgeführt (Fotos: Saint-Gobain Weber)
Die Farbgebung der Putzfassaden orientiert sich am historischen Vorbild. Bei der Bemusterung wurden verschiedene Putzmuster mit dem Bestandsputz abgeglichen (Foto: Saint-Gobain Weber)
Die Farbgebung der Putzfassaden orientiert sich am historischen Vorbild. Bei der Bemusterung wurden verschiedene Putzmuster mit dem Bestandsputz abgeglichen (Foto: Saint-Gobain Weber)
Die Hausnummern 11 bis 15 inklusive des Kopfbaus wurden mit rosafarbenem Putz mit 2 mm Körnung gestaltet (Foto: Saint-Gobain Weber)
Die Hausnummern 11 bis 15 inklusive des Kopfbaus wurden mit rosafarbenem Putz mit 2 mm Körnung gestaltet (Foto: Saint-Gobain Weber)

Fazit

Von der gründlichen restauratorischen Untersuchung über die exakte Rekonstruktion von Farbtönen und Strukturen bis hin zur qualitativ hochwertigen Ausführung – die Sanierung der Wohnsiedlung Attilahöhe ist ein gutes Beispiel dafür, wie das baukulturell bedeutende Erbe von Bruno Taut durch die Zusammenarbeit verschiedener Beteiligter bewahrt werden kann.

Projektdaten Siedlung Attilahöhe, Berlin-Tempelhof

Bauvorhaben: Sanierung Siedlung Attilahöhe, Tankredstraße 1-15 und 17-23, 12105 Berlin-Tempelhof
Umfang: BGF ca. 28.833 m², 127 Wohneinheiten, geschätzt 8.000 m² Fassadenfläche
Zeitraum: 2019 bis 2022
Bauherr: Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 eG, Knobelsdorffstraße 96, 14050 Berlin-Charlottenburg
Bauzeitliche Datierung: 1928 bis 1936 & 1952 bis 1954
Architekten historisch: Bruno Taut, Franz Hoffmann
Architekten Sanierung: Blumers Architekten, Generalplanung Baumanagement GmbH, Berlin
Restauratorische Untersuchungen: Dipl.-Rest. Stefan Grell, Berlin (2020 bis 2022)
Ausführung: BIG.B Bau- und Instandsetzung GmbH; Grundmann Restaurierung, Berlin

Fassadenaufbau straßenseitig

Oberputz: weber.top 200 Aqua Balance
Vorspritzmörtel: weber.dur 100
Unterputz: weber.dur 137
Oberputz weber.top 200 AquaBalance
Tankredstraße 1-9: 5 mm Körnung, Farbe W06452
Tankredstraße 11-15: 2 mm Körnung, Farbe W21732

Die Klinkerflächen in den Durchfahrten zum Innenhof wurden erhalten und nur stellenweise ausgebessert (Foto: Saint-Gobain Weber)
Die Klinkerflächen in den Durchfahrten zum Innenhof wurden erhalten und nur stellenweise ausgebessert (Foto: Saint-Gobain Weber)
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