“Historische Mitte Berlin”: Initiativen fordern eine sozial und klimagerechte Umsetzung des Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzeptes (ISEK)

Die Initiative Offene Mitte Berlin, die Hermann-Henselmann-Stiftung und das Bündnis Klimastadt Berlin 2030 formulieren Forderungen und Vorschläge für das Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept (ISEK) “Historische Mitte Berlin”.

Das Bündnis der Initiativen fordert eine klimagerechte und soziale Weiterentwicklung der Berliner Mitte. Es begrüßt grundsätzlich die Erarbeitung eines Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes (ISEK) für die Berliner Mitte. Aus Sicht der Initiativen besonders wichtig: Das ISEK soll auf den bisherigen Planungen und Vereinbarungen aufbauen. Und auf die zukünftigen Herausforderungen der Stadtentwicklung angemessen reagieren.

Bürgerbeteiligung, Wettbewerbe, Werkstattverfahren: Was bisher in Berlins historischer Mitte geschah

In der historischen Mitte Berlins hat in den vergangenen Jahren eine umfangreiche Beteiligungs- und Planungsarbeit stattgefunden. In Beteiligungsverfahren wurde über die Zukunft des Gebietes diskutiert, zahlreiche Gutachten und Studien wurden erstellt.

Bürgerleitlinien wurden erarbeitet und von Senat und Abgeordnetenhaus beschlossen. In Wettbewerbs- und Werkstattverfahren wurden konkrete Planungen entwickelt. Für das Nikolaiviertel wurde bereits ein ISEK erarbeitet und entsprechende Fördermaßnahmen eingeleitet.

Das ISEK „Historische Mitte Berlin“ sollte auf diesen Grundlagen aufbauen und die im Folgenden aufgeführten Aspekte berücksichtigen.

Acht Forderungen der Initiative Offene Mitte Berlin, der Hermann-Henselmann-Stiftung und des Bündnis Klimastadt Berlin 2030 an das ISEK

Die folgenden Forderungen habe ich 1:1 aus der Pressemeldung der Initiativen vom 01.09.2023 übernommen. Fettungen, Absätze und Verlinkungen stammen von mir. ES

1. Siegerentwurf des freiraumplanerischen Wettbewerbs Rathausforum / Marx-Engels-Forum als Teil des ISEK und in seiner Gesamtheit umsetzen

Ein Stopp des Projekts ist offenbar nicht geplant. Gut so, wäre das doch nicht nur ein immenser Planungsschaden und Vertrauensverlust gegenüber dem prämierten Siegerentwurf der RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, sondern auch ein Affront gegenüber den vielen Bürger*innen, die ehrenamtliche Zeit und Energie in die begleitenden Partizipationsverfahren gesteckt haben. Ein Scheitern des Projekts hätte zudem Auswirkungen auf andere Planungen, beispielsweise auf die städtebauliche Aufwertung des Nikolaiviertels.

Nach dem jetzt gesicherten 1. Bauabschnitt muss es jedoch weitergehen und dabei sind insbesondere die Fragen der breiten Straßen als städtebauliche Barrieren, der Nutzung und Nutzbarkeit des öffentlichen Raumes und der Klimaresistenz der Gestaltung relevant.

2. Das prägnante städtebauliche Ensemble um den Fernsehturm durch städtebauliche Erhaltungsverordnung schützen und behutsam sanieren

Das städtebauliche Ensemble um den Fernsehturm zählt zu den herausragenden Stadträumen der Nachkriegsmoderne und ist deshalb besonders schützenswert. Zwischen 1965 und 1987 entstand ein einheitlich geplanter Stadtraum von großer Prägnanz. Die einzelnen Elemente – der Fernsehturm, die Fernsehturm-Umbauung, der Freiraum, und die Randbebauungen – wurden aufeinander bezogen und bilden ein einheitliches Ensemble.

Eine städtebauliche Erhaltungsverordnung soll dieser Bedeutung Rechnung tragen. Zugleich weist die Umbauung des Fernsehturms bauliche Schäden auf, die gemeinsam mit den Eigentümern und unter Nutzung von Fördermitteln zügig zu beseitigen sind.

3. Pflege- und Bewirtschaftungskonzept als Teil des ISEK aufstellen

Die Umgestaltung der Berliner Mitte ist nur dann nachhaltig, wenn neu angelegte Grünräume und Stadtplätze kontinuierlich gepflegt und instandgehalten werden. Deshalb muss das ISEK ein Pflege- und Bewirtschaftungskonzept enthalten. Vor allem für die stark frequentierten Bereiche Rathausforum / Marx-Engels-Forum wird in Zukunft eine intensive Pflege nötig sein. Gleichzeitig wird dieser Raum auch rege für öffentliche Veranstaltungen genutzt, wie z. B. für die Special Olympics, das Freiluftkino und Veranstaltungen der Senatskanzlei oder das Festival of Lights.

Für die Zukunft schlagen wir vor, insbesondere künstlerische und kulturelle Publikumsveranstaltungen zu kuratieren. Ebenso wichtig ist die Ausstattung des Gebietes mit einem attraktiven Stadtmobiliar, wie z.B. flexiblen Stühlen nach Entwürfen des Metallbildhauers Achim Kühn, wie sie bis Anfang der 1990er Jahre vorhanden waren.

4. Mobilitätskonzept partizipativ erarbeiten und Verkehrswende organisieren

Die Mobilität gehörte zu den am intensivsten diskutierten Themen der vergangenen Partizipationsverfahren. Der starke Autoverkehr im Bereich Karl-Liebknecht-Straße und Spandauer Straße beeinträchtigt die Attraktivität der Berliner Mitte erheblich. Einerseits verringert er die Aufenthaltsqualität im Bereich Rathausforum / Marx-Engels-Forum, andererseits wirkt er als Barriere zu den umliegenden Quartieren.

Ein weiteres Problem sind die Reisebusstellplätze an der Rathausstraße und Spandauer Straße. Gleichzeitig ist dieser Bereich durch die 2020 eröffnete Verlängerung der U 5 sowie Straßenbahn- und S-Bahnlinien hervorragend an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Dieser Bereich ist deshalb gemeinsam mit der Straße Unter den Linden, dem Lustgarten und dem Schlossplatz besonders gut als Modellgebiet für die Verkehrswende geeignet.

5. Bauliche Entwicklung auf Gemeinwohl und leistbaren Wohnraum ausrichten

Soziale Wohnungspolitik bietet bezahlbaren Wohnraum auch für Menschen mit geringem Einkommen. Aus unserer Sicht ist entscheidend, dass die richtigen Vorgaben gemacht werden, damit bezahlbares Wohnen und architektonische Qualität, Möglichkeitsräume für Kulturschaffende und die Stadtöffentlichkeit, aber auch Klimagerechtigkeit an diesem besonderen Ort zusammengehen können.

Die kulturelle Vielfalt ist ein Motor für die Berliner Stadtentwicklung. Um diese zu stärken braucht es auch Regelungen für Zwischennutzungen und einen Kulturvorbehalt bei sämtlichen Bauvorhaben für bezahlbare, günstige Atelier- und Experimentierflächen.

6. Multiperspektivität der Stadtgeschichte respektieren und fortschreiben

Das Berliner Zentrum ist durch eine komplexe, und vielfältige Baugeschichte geprägt, die seit dem 19. Jahrhundert auch mit umfassenden Abrissen einherging. Mit dem Rückbau der autogerechten Stadt der Nachkriegsära besteht die Chance, ein zukunftsorientiertes und innovatives Stadtquartier zu entwickeln.

Dabei gilt es, die geschichtlichen Bezüge mit den heutigen Anforderungen nach einer sozialen und ökologischen Quartierentwicklung in Übereinstimmung zu bringen und nicht gegen einander auszuspielen. Dies gelingt mit einem strukturellen und typologischen Ansatz, der nicht auf einer überkommenen Bildhaftigkeit oder exakten historische Parzellenstruktur basiert.

Die Vielfältigkeit der Stadtgeschichte von ihren Anfängen bis heute ist zu bewahren und lesbar zu machen, und somit eine Multiperspektivität zu ermöglichen.

7. Strategie für ein klimaneutrales und klimaresilientes Quartier verfolgen

Berlin hat sich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden und Berlin muss sich auf den Klimawandel mit zunehmenden Hitze- und Extremwetterperioden einstellen. Die Energieversorgung des Quartiers muss fossilfrei erfolgen, der Flächenverbrauch muss begrenzt und das Ziel einer ausgeglichenen Versiegelungsbilanz von “Netto-Null” so schnell wie möglich erreicht werden.

Bäume sind die natürliche Klimaanlage der Stadt und bedürfen eines besseren Schutzes und einer stärkeren Berücksichtigung bei der Stadtentwicklung und später auch bei der Pflege.

8. Bauwende sichtbar machen

Im Bausektor gilt es, die Emission von Klimagasen bei der Herstellung und Verarbeitung von Baumaterialien sowie beim Betrieb und Unterhalt von Bauwerken auf ein Minimum zu reduzieren. Grundrisse und Geschosshöhen müssen flexibel anpassbar, Gebäude und Räume umnutzbar für die Zukunft sein.

Die Gestaltung des Zukunftsquartiers Molkenmarkt muss die Bauwende auch ästhetisch zum Ausdruck bringen. Um ein breites Spektrum von Planungsbüros in die Entwicklung von hochwertigem Städtebau, innovativer Architektur und anziehender Freiflächengestaltung einzubinden, muss die zuständige Senatsverwaltung hohe Standards der Baukultur einhalten, Wettbewerbe nach den Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW) ausschreiben und für faire Vergabeverfahren sorgen.

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